Als Direktkandidat der Piratenpartei Deutschland habe ich nun auch zum ersten Mal Briefpost erhalten, und zwar von der Türkischen Gemeinde in Deutschland. Leider wurde den Kandidaten nur die Möglichkeit gegeben, Fragen mit “Ja”, “Nein” oder “Keine Angabe / Keine Meinung / Enthaltung” zu beantworten. Dies bedaure ich, da meiner Auffassung nach zumindest die ablehnenden oder einschränkenden Antworten durchaus einer Begründung bedürfen. Ich erlaube mir daher, den Brief der Türkischen Gemeinde in Deutschland an dieser Stelle zu veröffentlichen und meine Antworten sowie die dazugehörigen Begründungen wie folgt darzulegen. Meine Antworten werde ich erst am Freitag, den 23.08.2013 abschicken. Falls also noch Diskussionsbedarf besteht: haut rein und schreibt Kommentare!
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15 Fragen zu den Wahlprüfsteinen der Türkischen Gemeinde in Deutschland
Die Türkische Gemeinde in Deutschland möchte vor der Bundestagswahl die türkeistämmigen Wähler_innen in der Bundesrepublik darüber informieren, wie Parteien und Wahlkreiskandidat_innen zu teilhabebezogenen Fragen stehen.
Bitte beantworten Sie folgende Fragen; die Antworten werden online publiziert.
Frage 1: Sind Sie für ein Ministerium für Teilhabe und Migration? *
Meine Antwort: Ja.
Frage 2: Finden Sie es wichtig und richtig, über Rassismus in der Öffentlichkeit mehr zu diskutieren? *
Meine Antwort: Ja.
Frage 3: Sind Sie für einen Aktionsplan zur Bekämpfung von Rassismus und rassistischen Diskriminierungen? *
Meine Antwort: Ja.
Frage 4: Befürworten Sie eine unabhängige Beobachtungsstelle gegen Rassismus in der Hand von zivilgesellschaftlichen Akteuren? *
Meine Antwort: Ja.
Frage 5: Befürworten Sie den Beitritt der Türkei in die EU, nachdem die Türkei alle Voraussetzungen erfüllt hat? *
Meine Antwort: Keine Angabe / Keine Meinung / Enthaltung
Meine Begründung: Ich finde die derzeitigen Kriterien für zu lasch. Die EU sollte härtere Regeln für Beitrittskandidaten festschreiben. Korruption sollte vor Aufnahme von Verhandlungen weitreichender eingedämmt sein und partizipatorische Elemente von gefestigten Demokratien sollten umfassender von den Beitrittskandidaten eingefordert werden. Gleichzeitig sollte die EU selbst transparenter und demokratischer werden. Jedes mal, wenn wir ein Mehr an Korruption und Demokratiedefiziten hinnehmen, machen wir uns als europäische Wertegemeinschaft selbst korrumpierbarer.
Frage 6: Sind Sie dafür, der Türkei ein konkretes Datum für den EU-Beitritt zu nennen? *
Meine Antwort: Nein.
Meine Begründung: Nein, denn dann entsteht nur ein Druck, Werte zugunsten einer Einhaltung des Terminplanes unter den Tisch fallen zu lassen.
Frage 7: Befürworten Sie Mehrstaatigkeit ohne Wenn und Aber? *
Meine Antwort: Nein.
Meine Begründung: Ohne eine gemeinsame Sprache kann Integration und Leben miteinander nicht gelingen. Da die Erteilung einer Staatsbürgerschaft das Ende eines Prozesses kennzeichnet, finde ich es weiterhin sinnvoll, eine Erhöhung des Sprachniveaus als Teil des Erwerbs der Staatsbürgerschaft durchzuführen. Einwanderungstests, die leider auch ein Großteil der Schüler, gleich welcher Staatsbürgerschaft, nicht bestehen würde, lehne ich ab. Da die “Erhöhung des Sprachniveaus” von Ihnen als ein Aber angesehen wird, muss ich diese Frage leider verneinen. Ansonsten möchte ich aber ganz klar doppel- und mehrfache Staatsbürgerschaften.
Frage 8: Sind Sie für ein kommunales Wahlrecht für Nicht-EU-Bürger_innen? *
Meine Antwort: Ja.
Frage 9: Können Sie grundsätzlich ein bundesweites Partizipationsgesetz befürworten? *
Meine Antwort: Ja.
Frage 10: Sind Sie für eine konkrete Zielgröße bei Einstellungen im öffentlichen Dienst? [Anstatt einer Quote] *
Meine Antwort: Nein.
Meine Begründung: Ich bin für anonymisierte Bewerbungen, die nur nach der Qualifikation der Bewerber gehen, aber nicht für Quoten oder Zielgrößen, denn diese stehen meiner Meinung nach im Widerspruch zu leistungsorientierten Bewerbungsverfahren.
Frage 11: Sollen Betriebe, die Geringqualifizierte ausbilden oder beschäftigen, einen staatlichen Zuschuss erhalten? *
Meine Antwort: Nein.
Meine Begründung: Die Fragestellung und der dazu verschickte Begleittext implizieren eine privatwirtschaftlich organisierte und marktorientierte Aus- bzw. Weiterbildung. Dies lehne ich ab. Menschen sollten den Bildungsprozess so durchlaufen können, dass sie selbstbestimmt und mündig teilhaben und nicht so, dass sie zu Humankapital werden.
Frage 12: Befürworten Sie anonymisierte Bewerbungsverfahren? *
Meine Antwort: Ja.
Frage 13: Sollen Migrant_innen wieder, wie bis 1990, als besonders zu fördernde Gruppe in die Sozialgesetzgebung aufgenommen werden? *
Meine Antwort: Ja.
Frage 14: Sind Sie dafür, dass das Pflegegeld auch an Menschen gezahlt wird, die ihren letzten Lebensabschnitt in der Türkei verbringen? *
Meine Antwort: Keine Angabe / Keine Meinung / Enthaltung
Meine Begründung: Ich habe bis 2009 meine pflegebedürftige Großmutter gepflegt. Einerseits begrüße ich deutlich, dass Menschen selbst bestimmen können, wo sie ihren letzten Lebensabschnitt verbringen wollen und sie auch dort die Pflege bekommen, die ihnen zusteht. Ich kann mir aber beim derzeit strikten Kontrollsystem in Deutschland nicht vorstellen, wie eine Einhaltung der sogenannten Qualitätsstandards in außereuropäischen Ländern gewährleistet werden soll. Zudem stellt sich für mich die Frage: Wie werden die gesetzlichen Krankenkassen eine Verschlechterung des Zustandes über solch eine Distanz anerkennen, wenn dies selbst in Deutschland teilweise erst nach langwierigen Widersprüchen möglich ist? Gleichzeitig würde ich es begrüßen, wenn die Korinthenkackerei im Pflegewesen reformiert werden würde und wir uns endlich darauf besinnen, dass es um Menschen mit Würde und nicht um Fallnummern oder Minuten zum Popo-Abwischen geht.
Frage 15: Sind Sie dafür, dass lange in Deutschland lebenden migrantischen Senior_innen die Voraussetzungen für einen längeren Aufenthalt im Ausland (länger als 6 Monate) ohne Angst auf das Erlöschen der Aufenthaltsgenehmigung ermöglicht werden? *
Meine Antwort: Ja.
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